Verherter Professor!
Vielen Dank für Ihren herzlichen Brief. Es freut mich, dass die Gelegenheit der Veröffentlichung meines Gralsbuches unsere alte Beziehung wiederhergestellt hat. Ich hatte zwar vor ein Paar Jahren schon versucht, mit Ihnen wieder in Verbindung zu treten, indem Prinz Rohan mir Ihre Adresse mitgeteilt hatte; mein Brief blieb aber ohne Antwort. Unter anderes sagte ich Ihnen, wie sehr es mir interessiert hätte, eventuell nur zur Lektüre Ihren Essay über Donoso Cortès zu haben. Da ich – Gott sei Dank – hier als der Hauptträger der “Reaktion” gelte, können Sie sich leicht vorstellen, wie mir Ihre Würdigung dieser Persönlichkeit interessiert.
Der Name von Ballanche ist mir leider unbekannt. Von dem Spruch “l´initié tue l´initiateur” kann ich ihnen eine Erklärung geben nur wenn er auf den abstrakten, unpersönlich Plan bezogen wird. Dann handelt es sich dabei bloss um zwei Phasen des Initiationswerkes. In der ersten Phase ist der initié gegenüber dem initiateur passiv: er empfängt von ihm die Kraft. Dies ist die Phase, die in der Hermetik durch den Mond (Luna) und das Wasser gekennzeichnet wird und die auch Albedo genannt wird. In einer zweiten Phase aber bemächtigt sich der initié von dieser Kraft, schafft sich als ein neuer Mittelpunkt, und dieses Sich-unabhängig-machen bedeutet in einer gewissen Sinn die “Tötung” des Initiateur, von dem er früher abhängig war. In der Hermetik ist diese die solare Phase, das Werk des Feuers, auch Rubedo genannt, und es ist sehr bezeichnend dieser Spruch: zuerst gebiert die Mutter den Sohn, der Sohn dann aber bezwingt und tötet die Mutter. Aehnliche Belege lassen sich auch in anderen Traditionen finden. In der gibellinischen Lehre, der gemäss der Herrscher, nachdem er die Weihe (erste Phase) erhalten hat, sich den Einweihenden (dem Klerus) gegen über unabhängig gagemit und überlegen fühlt, widerspiegelt sich derselbe Bedeutungsgehalt.
Besten Dank auch für Ihr interessantes “Dialog”; darauf werde ich wieder kommen. Hätten Sie irgendeine Möglichkeit, über mein Gralsbuch zu schreiben, so wäre ich Ihnen aus einem sachlichen Grund verbunden: es wird nämlich vom Verkauf des Buches abhängen, ob derselbe Verleger sich auch für die Neuausgabe meiner “Erhebung wider die moderne Welt” entscheiden wird, und ich glaube, dass nunmehr das Wiederauftauchen solcher Ideen in Mitteleuropa erspriesslich wäre.
Sind Sie immer mit Ernst Jünger in näherer Beziehung? Offen gestanden, seine letztere Tätigkeit überzeugt mir wenig; ich musste eine ziemlich vernichtende Kritik über sein Buch “Der Gordnische Knoten” schreiben, der zwar glänzend geschrieben (Wie immer) ist, aber nur divagations enthält.
Mit herlichen Grüssen
Ihr sehr ergebener
J. Evola
J. Evola
Corso Vittorio 197
Rom
PS. Man hat mir über Ihre Mitarbeit an “Il Borghese” erzählt, ich habe aber die entsprechenden Hefte nicht gesehen. Leider bei uns, das nur “i borghesi” versuchen, gegen den Kommunism Front zu machen, ce qui veut dire une bataille perdue d´avance. Für eine höhere Idee haben die Menschen hier (und nicht nur hier) weder Verstand noch Rasse.
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